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Montag, 8. Juli 2013

Ins Netz gegangen

So. Mittlerweile sollte es auch der Letzte erfahren haben: NSA, GCHQ, BND und wie sie alle heißen schnorcheln fleißig eure Daten ab. Emails, SMS, Telefonanrufe, Chats, Facebook-Einträge usw. Und sie speichern alles. Wer weiß, wie lange. Und wo. Und was genau. Aber nach all den Enthüllungen der letzten Wochen dürfte klar sein: auf jeden Fall viel. Natürlich alles nuuuur für die Sicherheit. Und weil Deine Daten mit abgefischt werden, muss logischerweise feststehen: Du bist ein Sicherheitsrisiko.

Na, wie fühlt man sich so als Verdächtiger?

Ich will jetzt gar nicht auf Rechtsverstöße, Missbrauchsszenarien, die Scheinheiligkeit unserer Lügner Staatsdiener usw eingehen. Wer sich dafür interessiert, weiß es längst. Wer nicht, wird sich auch von mir nicht überzeugen lassen.

Stattdessen möchte ich mich kurz über die Chimäre1 der "Parlamentarischen Kontrolle" auslassen. Wir hören ja immer wieder, dass es gut ist, die Bürger zu bespitzeln, solange wir es nur selber tun. Weil bei uns ja alles der "Parlamentarischen Kontrolle" unterliegt. Stichwort G10 und Parlamentarisches Kontrollgremium. Ähnlich in den USA, auch da wird die NSA ja angeblich aufs Schärfste vom Senat kontrolliert.

Selten so gelacht.

Wir reden hier von Datenbanken gigantischer Größenordnungen. Zum Vergleich: ich hatte Anfang 2012 erwähnt, dass Facebook auf ca. 100.000 Servern läuft. Aktuellere Schätzungen vom August 2012 belaufen sich auf 180.000 Server. Amazon Cloud: 450.000 Server. Akamai: 105.000 Server. Damit ihr klar seht: das sind riesige Hallen. Mit zwei Meter hohen, ein Meter breiten und ein Meter tiefen Schränken. In Reih und Glied. Tausende. Und in jedem Schrank eine Handvoll Server. An jedem Server ein paar Terabyte an Festplatten. Alles vernetzt. Noch einmal: hunderttausende Server, Millionen Festplatten.

Das ist mindestens die Größenordnung, in der NSA und GCHQ spielen. Jeder für sich, natürlich. Die NSA baut übrigens gerade in Utah ein neues Rechenzentrum. Für noch mehr Server.

Und jetzt wollt ihr mir erzählen, dass ein paar Politiker, die zu doof sind, eine widerspruchsfreie Regelung für Fahrradbeleuchtung zu verabschieden, solche Anlagen "kontrollieren" können?

Um es mal ganz, ganz klar zu sagen: derartige Systeme sind für einen Außenstehenden, egal mit welchen Befugnissen, nicht kontrollierbar. Selbst ein ausgewiesener, professioneller Hardcore-Datenbank-Experte, der sich bis auf die unterste Ebene in das System reinbohrt, kann niemals alle hunderttausende Server auf "böse Daten" kontrollieren. Er könnte nicht einmal feststellen, ob er auf den "echten" Servern herumsucht oder auf irgendeinem Testsystem mit Dummy-Daten.

Also, zum Mitmeißeln:
  • Es liegt in der Natur digitaler Daten, dass sie beliebig oft und unmerkbar kopiert / mitgeschnitten werden können. Ohne Qualitätsverlust. Ihr bekommt also nicht mit, dass ihr belauscht werdet.
  • Alles, was technisch möglich ist, wird auch gemacht. Das sollte spätestens jetzt jedem klar sein. Gesetz oder gar Moral sind nachrangig.
  • Speicherplatz ist unglaublich günstig. Das ist kein limitierender Faktor.
  • Eine parlamentarische Überwachung der verwendeten Technik scheitert an der Komplexität der eingesetzten Systeme und ist daher unmöglich.
Ihr könnt also getrost auf alle Politiker-Floskeln, Aufklärungsreisen, Fragebögen, Botschaftereinbestellungen, Ausschüsse usw. pfeifen. Das ist alles Augenwischerei. Die öffentliche Darstellung kann gar nicht der Wahrheit entsprechen, weil es in der Natur der Geheimdienste liegt, im Verborgenen zu arbeiten. Und niemand -- ich wiederhole: niemand -- ist in der Lage, die öffentliche Darstellung oder gar die tatsächlich gespeicherten Daten zu kontrollieren. Wenn beispielsweise die NSA oder der BND behaupten, keine verbotenen Daten zu speichern, gibt es de facto keine externe Instanz, die diese Aussage falsifizieren oder gar beweisen könnte.

Erst recht kein G10-Gremium von schnarchnasigen Emailausdruckern.

1 lt. Duden schreibt man jetzt angeblich "Schimäre", aber dazu kann ich mich nicht durchringen.