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Samstag, 4. Februar 2012

Heiz ist Geil! (Low-Tech-Land Teil 4)

Auch wenn ich hier im Blog, wo wir ja praktisch unter uns sind, gerne über Amerika ablästere, so versuche ich im echten Leben gegenüber meinen amerikanischen Kollegen doch eher zurückhaltend daherzukommen. Denn wenn man von seinem Arbeitgeber aus der "Großen Zentrale" in die "Kleine Auslandsvertretung" abkommandiert wird, läuft man unweigerlich Gefahr, völlig unbelastet von jeglichem Wissen um lokale Begebenheiten "denen da drüben" mal zu sagen, was sie alles falsch machen. Und natürlich, wie man es richtig macht. Nämlich auf die deutsche Weise. Das kommt nicht immer gut an und würde einem zu Recht als (deutsche) Besserwisserei und Arroganz ausgelegt.

Ich bin mir also des faden Beigeschmacks meiner typisch deutschen Nörgelei hier durchaus bewusst. Aber wisst ihr was? Ich hab gerade einen Lauf und nörgle daher mal einfach fleißig weiter! Ist ja alles nicht persönlich gemeint und außerdem bemühe ich mich so gut es geht darum, sachlich zu bleiben... ;-)

Durch diese Einleitung einigermaßen innerlich vorbereitet können wir uns nun in aller Demut einem weiteren Thema zuwenden, bei dem die Amerikaner auf breiter Front versagen: Heizungen.

Zunächst mal: die Amerikaner heizen ihre Hütten überwiegend mit Strom. Der zugehörige überdimensionale Heizlüfter sieht bei mir so aus:


Die Vorteile dieser Technologie liegen glasklar auf der Hand:
  • Das gemütliche Rauschen und Fauchen des Lüfters erfüllt den Raum mit der behaglichen Geräuschkulisse eines startenden Kampfjets.
  • Steif und bieder herunterbaumelnde Vorhänge verwandeln sich durch das Heizgebläse wie von Geisterhand in ein anmutig anzusehendes Stoffgewirr. Wie zwei eng umschlungene Tänzer umspielen sie einander in ekstatischer Umarmung. Pas de deux der Vorhangschals, sozusagen.
  • Das unverwechselbare Heizlüfter-Eigenaroma aus langsam verglühendem Staub macht jedes Räucherstäbchen, Duftbäumchen oder Duftkerzchen überflüssig.
Zu einem besonderen Genuss wird diese Form der Raumbeheizung, wenn sie wie hier in Amerika durch jahrelange, aufopferungsvolle Ingenieursarbeit zur Perfektion getrieben wurde. Zum einen ist damit die paßgenaue Montage der Heizung in der Außenwand gemeint. Ja, ihr habt richtig gelesen: die Heizung ist nicht AN, sondern IN der Wand montiert, weil sie gleichzeitig über eine Klimaanlagenfunktion verfügt. Und der Klimaanlagenteil, also der Kompressor, muss natürlich draußen sitzen, um die im Sommer herausgeführte Wärme abführen zu können.
Weil die Handwerker-Genies hier allerdings von Präzision und passgenauer Montage noch nie etwas gehört haben, hat eine fast repräsentative, stichprobenartige Untersuchung von mir herausgefunden, dass die Einfassung bei 100% der Heizungen undicht ist. Es zieht also wie Hechtsuppe durch die Heizung. In einem älteren Artikel hatte ich schonmal geschildert, dass ich die Heizung im Schlafzimmer immer abdecke, weil sich sonst nachts Rauhreif auf meiner Glatze bildet. Na ja. Als stets positiv denkender Mensch freue ich mich natürlich über die Aufwertung des Raumklimas durch den ständigen Luftaustausch, vor allem im Winter.

Zum anderen drückt sich die Perfektion durch eine unglaublich kluge Regelung der Heiz- und Lüftungsheizung aus. Rechts seht ihr das Bedienfeld meiner Wohnzimmerheizung. Die Ventilatorsteuerung steht, wie ihr sehen könnt, auf "Auto". Das hat zur Folge, dass ein unglaublich pfiffiger Regler die Kontrolle übernimmt und im 30-Sekunden-Rhythmus die Ventilator- und Heizleistung unabhängig voneinander umschaltet. Inklusive so dämlicher Kombinationen wie HeizungAus-LüfterVollast, HeizungVollast-LüfterAus etc. Wenn es draußen richtig kalt ist, geht die Heizung sogar zwei- oder dreimal am Tag für knapp eine Minute ganz aus. Boaah!
Selbst wer nur rudimentäres Wissen um die Geheimnisse der Regelungstechnik und die Trägheit von Temperaturverläufen in geschlossenen Räumen hat und selbst wer nicht ganz sicher zwischen Dreipunktregler und Dreipunktgurt unterscheiden kann, sollte ahnen: ein Heizungsregler, der im 30-Sekundentakt umschaltet und dessen Hysterese so bemessen ist, nur wenige Sekunden nach dem Ausschalten die Heizung auf Vollast wieder einzuschalten, ist Murks. Ganz einfach.

Außerdem ist diese Art des Heizens nicht ganz billig. Jeder, der zuhause einen Heizlüfter oder einen Server betreibt, weiß wovon ich rede. Pro kWh Strom zahle ich hier ungefähr 17 US-Cent, was in etwa 13 Euo-Cent entspricht. Anders als immer behauptet ist das also gar nicht soooo viel günstiger als in Deutschland. Und nun können wir eine einfache Rechnung aufmachen: die Heizungen haben eine Leistung von 4 bis 5 kW. Ich vermute, dass sie im Tagesdurchschnitt auf 50% laufen, was an wirklich kalten Tagen wohl eher zu tief gegriffen sein dürfte. Wenn ich nicht arbeite, läuft die Heizung 12 h am Tag. Die Kosten liegen also bei:
2,5 kW * 12 h * 0,17 $/kWh = 5,1 US$
Pro Tag puste ich also locker $5 nach draußen. Super. Würde ich nicht zur Abwechslung werktags arbeiten und mich im Büro aufwärmen, würde ich also etwa $150 pro Monat verheizlüftern.

Ach, wo wir gerade vom Büro sprechen: dort haben wir ein Heizungssystem, das den Heizlüftern bei mir in der Wohnung technisch noch weitaus überlegen ist: Dampfheizungen. Das ist wirklich das Non-plus-Ultra der Klimatechnik. Zweimal täglich -- morgens um kurz nach acht und mittags so gegen 12:30 Uhr -- wird ein einzelner Dampfstoß in das gesamte Gebäude gedrückt. Das kündigt sich dadurch an, dass alle Rohre im Haus knarzen und knacken und Geräusche machen, als würde jemand mit einem Hammer an den Rohren Klopfzeichen geben. Wenige Minuten später steigt die Temperatur im Raum auf gefühlte 30 Grad und plötzlich steht selbst uns Schreibtischtätern bei der Arbeit der Schweiß auf der Stirn. T-Shirt-Wetter!

Und das wars. Nach dem Dampfstoß gibt es keine weitere Wärmezufuhr in den kommenden Stunden.

Im Laufe der Zeit fällt die Temperatur dann durch die normale Auskühlung des Raums wieder ab und ich ziehe sukzessive erst mein Hemd wieder an und hole wenig später meine stets griffbereite Notfall-Strickjacke aus dem Rollcontainer. Wir zittern uns dann bis mittags so durch und wenn wir vom Essen wieder ins Büro zurückkommen war der zweite Dampfstoß da und wir haben die optimale Raumtemperatur für ein kleines Verdauungsnickerchen. Danach fällt die Temperatur wieder und wenn ich dann abends den eigenen Atem sehen kann, ist es an der Zeit, Feierabend zu machen, die Dampfheizung hinter mir zu lassen und nach Hause zu meinem fauchenden Heizlüfter zu gehen.

Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie es ein Volk schaffen kann, Marschflugkörper über hunderte Kilometer treffsicher in ein bestimmtes Haus krachen zu lassen und gleichzeitig von der Herstellung eines ausgeglichenen Raumklimas überfordert zu sein. Beides ist letztlich nur eine Frage der Steuerungs- und Regelungstechnik. Ihr dürft selber raten, welches der kompliziertere Fall ist...

Oh, und bevor ich es vergesse: selbstverständlich trägt auch die quasi nicht existente Gebäudeisolierung zu den hohen Heizkosten und der schnellen Auskühlung bei. Selbst die Außenwände meiner Wohnung klingen beim Gegenklopfen nach Leichtbau und unterscheiden sich nicht von den Innenwänden. Mit ein wenig Anlauf könnte ich sicher durch die Wand gehen. Nägel kann ich jedenfalls mit der flachen Hand einschlagen.

So bleibt mir also nichts anderes übrig, als gegen die schlechte Isolierung anzuheizen. So wie die anderen Insassen hier im Haus auch. Allein in unserem Haus befinden sich ca. 150 Wohnungen. Wenn jede Wohnung im Durchschnitt mit 4 kW geheizt wird (viele Wohnungen sind größer als meine und brauchen daher mehr als meine 2,5 kW) macht das 600 kW. Unsere Wohnanlage besteht aus zwei Häusern. Und außerdem einigen ständig (über-)heizten Räumen wie Lobbies, Fitnessraum, Kinderraum etc. Ich denke, es ist nicht übertrieben, im Winter eine Dauerlast von 1,5 MW nur für das Heizen anzunehmen.

Das entspricht einer mordernen Windkraftanlage bzw. zwei oder drei älteren WKAs.

Damit sind dann unsere Wohnungen aber nur warm und noch nicht beleuchtet. Die Kühlschränke sind ebenfalls aus. Und gekocht wird auch nicht. Dafür kann man insgesamt locker nochmal eine zweite, moderne WKA anrechnen. Macht also etwa 3 MW.

Hab mich mal umgeschaut. Hab hier auf dem Hof und in der Umgebung keine Windräder gesehen. Daher kann es wohl noch dauern, bis Amerika mit dem Atomausstieg beginnt. Und über das Kyoto-Protokoll und deren Nachfolger möchte man hier lieber auch nicht nachdenken.

Denn dann müsste man ja frieren im nächsten Winter. Moderne Isolierungen und Heizungsanlagen sind schließlich nur für Feiglinge und nichts für The World's Greatest Nation.....

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