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Sonntag, 29. Januar 2012

Ad ACTA

Den eigentlich für heute geplanten Low-Tech-Artikel stelle ich aus aktuellem Anlass mal kurz zurück. Wir sollten uns mal nämlich kurz über ACTA unterhalten. Die Situation rund um ACTA ist durch dieses leicht abgewandelte Zitat wohl ganz gut umrissen:
"Brigitte Nielsen ist Dschungelkönigin!". Alle so: "AHHHH!". "ACTA wurde unterzeichnet und beschneidet das Internet!". "Meh. Was ist ACTA??".
Auch wenn ihr kein Interesse an (Netz-)Politik habt, so sollte euch doch klar sein, dass ein internationales Abkommen, das
  • weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt,
  • von den großen Rechteverwertungs-Lobbyisten wie der MPAA und der  RIAA initiiert
  • und schließlich diskret im EU-Fischereiausschuss ratifiziert
wurde, nichts Gutes bedeuten kann. Daher nehmt euch bitte ein paar Minuten Zeit für das folgende Video:


Schwarzmalerei? Wird schon alles nicht so schlimm werden? Nun, ich habe meine Zweifel. Brüsseler EU-Bürokraten sind ja nicht gerade als Sensibelchen bekannt, die an Anfällen spontanen Moralempfindens leiden oder nachts aufgrund ihres schlechten Gewissens nicht schlafen können. Wenn also der EU-Verantwortliche für ACTA, Kader Arif, unmittelbar nach der ACTA-Unterzeichnung zurücktritt, weil er das Schmierentheater nicht mehr länger mitmachen möchte, muss es wirklich ernst sein. Wörtlich hat er erklärt (Hervorhebungen von mir):
Ich möchte den gesamten Vorgang, der zur Unterzeichnung dieses Abkommens geführt hat, auf das Schärfste anprangern: Keine Einbindung einer Nicht-Regierungs-Organisation; mangelnde Transparenz von Anbeginn der Verhandlungen an; wiederholte Verschiebungen der Unterzeichnung des Abkommens, ohne dass je eine Erklärung dafür abgegeben wurde; das Ignorieren der Forderungen des Europäischen Parlaments trotz mehrerer Beschlüsse unserer Versammlung.
Als Berichterstatter dieses Textes habe ich noch nie solche Manöver des rechten Flügel dieses Parlamentes beobachtet: Mit einem beschleunigten Vorgang wurde das Abkommen verabschiedet, bevor die Öffentlichkeit alarmiert werden konnte. Dadurch wurde dem Europäischen Parlament die Rechte genommen, seine Meinung auszudrücken und, die berechtigten Forderungen der Bürger und Bürgerinnen als Argument vorzubringen.
Jeder weiß, dass ACTA Probleme mit sich bringt: [ACTA] wirkt sich auf die Freiheit der Zivilgesellschaft aus, auf die Verantwortlichkeit von Internet- Anbietern, auf die Herstellung von generischen Medikamenten (Generika) und auf den Schutz unserer geografischen Daten.
Dieses Abkommen kann schwerwiegende Konsequenzen für das Leben der Bürgerinnen und Bürger haben und trotzdem wird alles unternommen, um das Mitspracherecht des Parlaments zu unterwandern. Heute, als Verantwortlicher für diesen veröffentlichten Bericht, wünsche ich daher ein Zeichen zu setzen und alarmiere hiermit die Öffentlichkeit über diese inakzeptable Situation. Ich werde nicht an dieser Maskerade teilnehmen.
Werden dagegen unsere über jeden Zweifel an ihrer Kompetenz erhabenen Volksvertreter gefragt, ob ACTA irgendwelche neuen Einschränkungen mit sich bringe, hört man stets nur die monotone Aussage, dass die bestehenden EU-Regelungen beachtet und nicht verschärft würden. Analoges hört man aus den USA.

Wenn aber die bestehenden Gesetze ausreichen, wozu braucht es dann ACTA?

Meiner Ansicht nach wird zunächst ACTA durchgepeitscht und später dann die bestehende Rechtslage angepasst, weil man ja schließlich ACTA "gehorchen" und den Vorgaben entsprechen muss. Was kümmert den Politiker sein Geschwätz von gestern? Es wird dann wie immer heißen, die Maßnahmen seien "alternativlos" und man müsse sich den Sachzwängen beugen.

Lasst mich noch einen letzten Punkt ergänzen. Viele Formulierungen im ACTA-Text sind bewusst schwammig gehalten. Bei der Auslegung, so die offizielle Begründung, sollen dann die Protokolle der ACTA-Beratungen herangezogen werden. Diese Protokolle sind aber nicht öffentlich. Wenn also der Bundestag demnächst über ACTA abstimmt, liegt ihm nur der schwammige Vertragstext und nicht das Kleingedruckte (die geheimen Protokolle) vor. Was davon zu halten ist, könnt ihr euch ja selber denken. Ich möchte an dieser Stelle nur erwähnen, dass wir mit geheimen Zusatzprotokollen keine guten Erfahrungen gemacht haben.

Erfreulich ist, dass sich zumindest in Polen ein wenig Protest rührt. Hier seht ihr Teile des polnischen Parlaments, die gegen ACTA demonstrieren:

(Quelle: Netzpolitik.org)
Und gestern kam es wohl in vielen polnischen Städten zu Massenprotesten, die von einigen Teilnehmern sogar mit den Demonstrationen der Gewerkschaft Solidarność Anfang der 1980er verglichen wurden.

Und in Deutschland? Kaum ein Wort zu ACTA in den Mainstream-Medien. Ein- oder zweimal gab es eine 20-Sekunden-Meldung in der Tagesschau. Ratifizierung in Fischereiausschuss? Rücktritt von Kader Arif? Proteste in Polen? Geheime Zusatzprotokolle? Beschränkung von Bürgerrechten durch ACTA? Lobbyarbeit durch MPAA und RIAA? Nichts. Nicht ein Wort.

Das findet ihr vor allem im Internet.

Genau das Internet, dass durch ACTA, SOPA und PIPA zensiert werden soll.

Merkt ihr was?

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