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Dienstag, 27. März 2012

Das kleine Schwarze

Nun, da es offiziell Frühling ist (meteorologisch? kalendarisch? thermisch? optisch? Komme da immer durcheinander mit den verschiedenen Stichtagen), wurde die Frage der Fahrradbeschaffung für mich wieder dringlicher. Nach dem Umzug in meine eigene Wohnung Anfang Oktober hatte ich das Thema ja zunächst offiziell zurückgestellt, in der Annahme, dass ich im Winter nicht unbedingt ein Fahrrad brauche und ich ohnehin erstmal andere, dringendere Probleme habe.

Nun ist der Winter in diesem Jahr zumindest hinsichtlich Schneefall komplett ausgefallen und wir hatten in erster Linie einen langen, überwiegend sonnigen und zum Teil schnatterkalten Herbst. Also nichts, was einen vom Radfahren hätte abhalten können. Aber naja, sowas weiß man immer erst hinterher.

Angeregt durch die Frühlingssonne begab ich mich also in den letzten Tagen auf Fahrradsuche, sowohl virtuell im Internet als auch real in Fahrradläden. Dabei habe ich folgendes gelernt:
  • Der Zustand von Straßen und Bürgersteigen ist hier bekanntermaßen furchtbar. Lasst es mich mal so formulieren: um die Straßen in den Zustand "Schlagloch" zu bringen, müsste endlich mal jemand die ganzen Krater provisorisch auffüllen. Und die Bürgersteige bestehen in der Regel aus großen Betonplatten, die nicht sauber und plan verlegt, sondern offenbar einfach achtlos aus einem vorrüberfahrenden LKW abgeworfen wurden. Will man in einer solchen Umgebung bestehen, ist eine Federgabel fürs Fahrrad essentiell. Wenn man denn schon nicht das Geld gleich für einen schnuckeligen, kleinen Ein-Personen-Kettenpanzer statt für ein Fahrrad ausgeben möchte.
  • Konsequenterweise weisen hier nur etwa 10 % der in einem normalen Fahrradladen ausgestellten Räder eine Federgabel auf. Die restlichen 90 % sind, obwohl als Allzweckräder beworben, mit starrer Gabel ausgestattet. Vermutlich haben die Verbände der orthopädischen Heilberufe sowie Hersteller von Fahrradfelgen, -rahmen und -schläuchen auf dieses Verhältnis bestanden.
  • Ein durchschnittlicher Fahrradladen hat die Größe einer Garage.
  • Ein durchschnittlicher Fahrradladen hat das Ambiente einer Garage.
  • Ein durchschnittlicher Fahrradladen bietet weniger Auswahl als eine gewöhnliche Garage. Oder als der Hinterhof eines Hauses mit Studenten-WGs.
  • Von Rädern mit Rahmengröße XL haben die meisten Händler zwar schonmal gehört, können sich aber gerade nicht erinnern, so etwas schonmal real gesehen zu haben. Das meiste Wissen über XL-Rahmen wird vom Vater zum Sohn anhand von Erinnerungen mündlich tradiert.
Ihr könnt euch also mein Entzücken vorstellen, als ich vor ein paar Tagen ein Angebot (!) für ein XL-Cross-Rad fand, das ein Händler in NoHo ins Internet gestellt hatte. Interessanterweise entpuppte sich der Laden sogar als "Doppelgarage" mit getrennten Räumlichkeiten für Rennräder und Rest. Okay, zwischen den Ladenhälften lagen zwei Klamottenshops, die nichts mit dem Fahrradhändler zu tun haben, aber sowas nimmt man in Manhattan gerne in Kauf.

Beim ersten, spontanen Besuch am letzten Dienstag konnte ich das Rad nicht gleich ausprobieren, weil es erst noch montiert werden musste. Am vergangenen Samstag machte ich dann einen zweiten Anlauf, probierte das Rad aus, befand es für gut und habe es gleich mitgenommen.

Bei dem Rad handelt es sich um ein 2011er Specialized Sport Disc in schwarz. Es ist etwas schwerer als mein "gutes" Rad in Braunschweig und alle Komponenten sind etwas "billiger" als bei seinem älteren Bruder.

Besonders der Schaltung und den Schalthebeln merkt man diesen Unterschied an. Meinem Braunschweiger Rad teilt man einen Schaltwunsch durch sanften Druck auf angenehm weich bedienbare Schalthebel mit und die Kette quittiert diesen Wunsch, indem sie mit einem leisen, zufriedenen Schmatzen auf ein anderes Ritzel wechselt. Mein US-Rad macht dagegen beim Schalten so laut "KLACK!" (Schalthebel) und "KA-TSCHINGGGG!" (Kette), dass umstehende Fußgänger erschrocken zusammenzucken. Doch ich will nicht meckern! Das Rad macht sehr viel Spaß und ist für meinen Bedarf hier mehr als ausreichend! Ich war nur überrascht, dass der "fühlbare" Unterschied zwischen den verschiedenen Shimano-Schaltungen so deutlich ausfällt. Nun ja. "Deore LX" vs. "Acera" ist vielleicht wirklich ein wenig unfair ;-)

Und hier ist nun das gute Stück. Die Dame in Grün im Hintergrund sollte euch übrigens bekannt vorkommen:


Um das kleine Schwarze vollständig New-York-tauglich zu machen, musste ich leider gegenüber dem letzten Bild noch eine geringfügige Modifikation vornehmen. Ich habe an der Sattelstange noch ein kleines, zierliches Fahrradschloss im Westentaschenformat angebracht, das es mir erlauben sollte, das Rad auch mitten in Manhattan mal 10 Minuten aus den Augen zu lassen:


Diese handliche Nahkampfwaffe bringt mal eben knackige 2,5 kg auf die Waage. Diese 2,5 kg werde ich dann wohl konsequenterweise abnehmen müssen, damit alles gewichtsneutral bleibt! Für die Sicherung des Vorderrades habe ich übrigens noch ein Stahlkabel, dessen Ösen auf den Bügel des Schlosses gezogen werden. Leider passt das Kabel nicht auch noch unter dem Sattel durch (Ösen zu dick), so dass ich wohl einen gelegentlichen Sattelklau in die Lebenszykluskosten meines neuen Rades einkalkulieren darf. Dass mein Sattel natürlich KEINEN Schnellspanner hat, stellt für New Yorker Fahrraddiebe übrigens weniger eine Abschreckung als vielmehr eine sportliche Herausforderung dar. Deren Lösung, so vermute ich mal, nur 10 Sekunden  in Anspruch nehmen wird.

So, zum Schluss als "Eye Candy" und als Entschädigung für das ganze Fahrradgelaber hier noch zwei Bilder, die ich zusammen mit der obigen Außenaufnahme meines Rades gemacht habe. Zum einen eine Panoramaaufnahme der Skyline, des Hudson und der Freiheitsstatue bei einsetzender Dämmerung (Okay, ein bißchen Rad ist auch mit drauf. Versehentlich.):


Und hier ist die Skyline nur wenige Minuten später, als sich die ersten Lichter bereits im Hudson spiegeln:


Alles so original mit der Kamera aufgenommen, nicht nachbearbeitet o. ä. Dazu hatte ich an dem Abend überhaupt keine Kraft mehr, aber das erzähle ich dann im nächsten Artikel...

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