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Samstag, 22. September 2012

Alles Kappes!

Ich habe eine sensationell gute Nachricht: unsere Umwelt ist gerettet! Alle Probleme sind gelöst, die Verschmutzung eingedämmt und die drohende Erdölknappheit der kommenden Jahrzehnte dürfte sich ebenfalls in Wohlgefallen aufgelöst haben!

Überraschenderweise kommt die Rettung nicht in Gestalt von mittlerweile in der Bourgeoisie versackten Ökobewegungen wie Greenpeace, den Grünen oder dem WWF daher. Mittnichten! Unser aller Erlöser ist die Wassermarke Poland Spring, die hier mit einer Errungenschaft wirbt, deren Bedeutung irgendwo zwischen dem Heiligen Gral und der Kalten Fusion einzuordnen ist.

Durch jahrelange, kostenintensive Forschung, die auch die Kontroverse zur vorherrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht scheute, ist es Poland Spring gelungen, mit einer echten Sensation aufzuwarten: dem Eco-Cap für ihre Plastikflaschen:


Nun mal ehrlich: es ist immer wieder verblüffend, für wie doof der gemeine Marketingmokel sein Opfer, also uns Verbraucher, offenbar einschätzt. Denn eine Plastikflasche wird nicht dadurch gut, dass man ihr einen kleineren, materialsparenden Deckel verpasst. Genauso wenig, wie Atommüll umweltfreundlicher wird, weil man den ihn umgebenden Castorbehälter grün lackiert. Der Fehler ist die Plastikflasche, nicht deren Deckel. Das ficht Poland Spring allerdings nicht an; stolz bekleben sie ihre Flaschen mit einem grünen Etikett und geben dem Verbraucher noch ein ökologisch-dynamisches "Be Green" für ein gutes Gewissen mit auf den Weg.

Nun wäre es allerdings falsch, Poland Spring als alleiniges Negativbeispiel herauszustellen. Denn die schwimmen einfach nur im ganz normalen Plastikstrom mit. Ganz besonders besonders deutlich wird diese allgemeine amerikanische Plastikflut und Ressourcenverschwendung am Beispiel von Nahrungsmitteln und Getränken:
  • Mehrwegflaschen kennt man nicht. Alles wird in Einweg-Plastikflaschen verkauft, die in den Müll wandern.
  • Geht man zum Essen nicht gerade in ein Restaurant, in dem man am Tisch bedient wird, bekommt man sein Futter grundsätzlich in einem Einweg-Plastikschälchen in einer Einweg-Plastiktüte samt Einwegbesteck und einem gewaltigen Einweg-Serviettenstapel. Selbst wenn man sich noch direkt im Laden an einen Tisch setzt und das Essen nur 30 Sekunden nach dem Einpacken wieder auspackt und dann das ganze Verpackungsgedöns wegschmeißt. Es ist zum Heulen.
  • In allen Hotels, in denen ich bislang war, wurde das Frühstück auf Einwegtellern mit Einwegbechern und Einwegbesteck eingenommen. Das ist umso verwunderlicher, als dass man in den USA viele Billiglöhner antrifft, die einfache Arbeiten für wenig Geld verrichten. Ich möchte wetten, dass die Einstellung eines Tellerwäschers für das Hotel günstiger wäre als der Einwegmist.
  • Bei uns im Büro nutzen fast alle Kollegen für ihren Kaffe oder Tee die Pappbecher, die in unserer Kaffeeküche stehen. Ich schätze den Durchschnittsverbrauch auf ca. drei Becher pro Person und Tag. Eigene Tassen werden fast nur von den Deutschen mitgebracht und genutzt.
  • Beim Einkaufen werden jeweils drei, vier Artikel in eine eigene Plastiktüte gepackt. Oder auch in zwei, weil eine Tüte alleine zu dünn wäre und reißen könnte. Ergebnis: ein Einkaufswagen voller Plastiktüten. Ich schätze, ein typischer Vier-Personen-Wochenendeinkauf kommt auf ca. 25 Tüten. Wahnsinn! Niemand, wirklich niemand, bringt zum Einkauf eigene Taschen mit, nutzt Pappkartons oder hat Körbe o. ä. im Kofferraum, um die Waren dort zu verstauen. An diesem Wahnsinn beteilige ich mich allerdings nicht. Ich nutze wie gewohnt meinen Rucksack und Baumwolltaschen.
  • Ich habe mal von einer Schätzung gelesen, dass 2/3 der in New York ausgegebenen Servietten ungenutzt in den Müll wandern. Das kann ich aus eigener Beobachtung bei mir und meinen Mitessern absolut bestätigen. Pro Mahlzeit bekommt man ca. 1 cm Servietten in die Hand gedrückt. Die weitere Rechnung könnt ihr selber machen. Die New Yorker vernichten bestimmt alleine dadurch mehrere Fußballfelder Holz bzw. Regenwald. Jeden Tag.
  • Brot ist hier doppelt verpackt. Das Brot an sich ist in neutraler, transparenter Plastikfolie eingeschweißt. Außen herum folgt dann die normale, bedruckte Brottüte. Wozu?
Die Liste ließe sich beinahe beliebig fortsetzen. Was mich besonders ärgert: jeder macht auf Öko, jede Firma wirbt mit Umweltverträglichkeit und alle meinen, wie toll sie doch in Sachen Umweltschutz wären. Siehe das Trara um den ollen Verschluss weiter oben. Alles Kappes!

Leute, ihr seid 20 Jahre zurück. Ihr seid die größten Müllschweine auf unserem Planeten. Das habe ich so schlimm nicht einmal in China erlebt. Und die gehen dort mit ihrer Natur auch nicht gerade zimperlich um. Was bei euch besser klappt ist die Müllbeseitigung, so dass der Müll nicht so offensichtlich rumfliegt wie bei euren asiatischen Freunden. Aber in Müllmasse und -volumen kommt ihr locker drüber. Und Mülltrennung ist ein Fremdwort für euch. Recycling vermutlich ebenfalls. Eine Verschwendung ohne gleichen.

In den paar Monaten, die ich nun hier bin, habe ich soviel Müll produziert wie noch nie zuvor. Ich füge mich ein, schwimme mit dem Strom. Beim Essen z. B. versuche ich die Flut aus Plastiktüte, Serviettenstapel und Einwegbesteck gar nicht mehr abzulehnen, weil der Verkäufer meist gar nicht genug English spricht, um meinen Wunsch nach weniger Verpackungskram zu verstehen. Und die Vorstellung, dass jemand KEINE Tüte und Serviettenstapel haben will, ist so weit außerhalb seiner Vorstellungskraft, dass der gesamte Verkaufsprozess vor Schreck ins Stocken gerät. Was doof ist, wenn zehn hungrige andere Kunden hinter einem in der Schlange stehen und endlich an ihr Futter wollen.

Hier offenbart sich übrigens das Kernproblem: nämlich dass die Verschwendung nicht als solche wahrgenommen wird. Man kennt es hier einfach nicht anders. Einkäufe in Baumwolltaschen, Pappkartons oder Faltkisten zu transportieren ist einfach nicht Teil des vorstrukturierten Lösungsraums für Alltagsprobleme im amerikanischen Durchschnittsgehirn. Da existiert nur "Plastiktüte". Fehlgeschlagene Prägung, könnte man auch sagen.

Mal schauen, ob sich das Problem mit der Zeit biologisch löst. Entweder durch Heranwachsen einer neuen Generation mit anderer Prägung oder durch Ersticken der alten Population in ihren Müllbergen. Auf vernunftbasierte Einsichten kann man nämlich sicher lange warten.

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