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Mittwoch, 3. Oktober 2012

Lebensmüder Fensterputzer

Von den dämlichen aber leider allgegenwärtigen Schiebefenstern hatte ich ja bereits vor ein paar Monaten berichtet. Wenig überraschend liegt es in der Natur dieser Schiebefenster, sie nicht aufschwenken zu können. Sicherlich fragen sich nun die vielen hier mitlesenden engagierten Hausmänner und Hausfrauen, wie man solche Fenster von außen reinigt. Noch dazu bei Hochhäusern.

Die Antwort ist im Prinzip ganz einfach: die ganzen Muttersöhnchen und Feiglinge seilen sich außen am Hochaus ab, in der Regel auf einer mehrfach gesicherten Arbeitsbühne, seltener direkt an Seilen. Echte Männer dagegen machen das so wie auf den folgenden Bildern:




Wie man schön sehen kann (Bild anklicken zum Vergrößern), turnt der Mann ebenso unbeeindruckt wie ungesichert über den Mauersims und reinigt die Fenster. Lasst euch übrigens vom Bildausschnitt nicht täuschen: ich konnte den Akrobaten nur deshalb mehr oder weniger direkt auf Augenhöhe fotografieren, weil ich selber bei der Aufnahme im 16. Stock (also 14. OG) war. Zoomen wir also mal ein wenig heraus:


Der kleine blaue Fleck da oben, etwas oberhalb der Bildmitte, das ist unser lebensmüder Fensterputzer! Wenn ihr mich fragt, ist der Mann verrückt. Aber er ist nicht der einzige seiner Art; ich habe dieses Schauspiel schon ein paar Mal gesehen, hatte aber, anders als gestern, bislang nie eine Kamera zur Hand.

Ich finde diesen laxen Umgang mit der Gefahr übrigens zutiefst verwerflich. Nicht primär wegen des Fensterputzers an sich; der weiß, welches Risiko er eingeht und dass ein einziger Fehler für ihn tödlich ist. Nein, viel ärgerlicher ist, dass er bei seinem Aufprall auf dem Trottoir gleich noch eine handvoll ahnungsloser, unschuldiger Passanten mit erschlägt. Ich möchte als harmloser Fußgänger jedenfalls nicht mit 90 kg Fensterputzer aus dem 14. Stock beworfen werden....

Sowieso wäre dieser Fensterputzjob nichts für mich. Weniger wegen des Fensterputzens sondern vielmehr wegen der Höhe. Kennt ihr dieses merkwürdige Gefühl, wenn ihr beispielsweise am Geländer einer hohen Brücke oder einer hohen Staumauer steht, nach unten in die Tiefe schaut und es dann erst in den Beinen und später im ganzen Körper kribbelt und irgendein atavistisches, noch nicht ganz von der Evolution herausgemendeltes Vogelgen in eurem Unterbewusstsein ruft: "Spring!" bzw. "Flieg!"? Und eure ganze Ratio entsetzt zurückschreit: "Bist Du verrückt??? Bleib wo Du bist!!!"?

So geht es mir jedenfalls immer. Mir hilft dann nur, einen Schritt von der Kante zurückzutreten und den Blick nicht mehr in die Tiefe zu richten. Ich glaube nicht, dass Höhenangst ist. Die Höhe an sich macht mir nichts aus. Nein, in solchen Situationen habe ich vielmehr Angst vor mir selber.

Denn wäre ich in der Rolle unseres Fensterputzers, der sich nur mit einer Hand am Fensterrahmen festhält, wäre es fatal, wenn das Vogelgen in meinem Unterbewußtsein auch nur für den Bruchteil einer Sekunde die Oberhand gewinnt und die Flügel bzw. Hand öffnet...

Dann doch lieber inhaltsleere Powerpoint-Folien und Ampeln malen. Dann hält mein innerer Vogel wenigstens die Klappe.

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