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Samstag, 27. Oktober 2012

Wir werden alle sterben!!1!

... da sind sich alle einig und sämtliche bisherigen Befunde sprechen eindeutig dafür. Beträchtliche Unsicherheit besteht noch hinsichtlich des genauen Zeitpunkts des Ablebens. Glaubt mein meiner Umgebung, dürfte ich für mich nur noch etwa 48 h veranschlagen.

Dann ist Sandy hier.

Sandy ist ein Hurricane, der in der Karibik bereits einigen Schaden angerichtet hat und dem dort in der Tat auch ein paar Menschen zum Opfer gefallen sind. Glaubt man den Prognosen des Hurricane Trackers, wird Sandy in der zweiten Nachthälfte von Montag auf Dienstag an New York vorbeiziehen und dann als Tropischer Sturm mit Windgeschwindigkeiten um die 100 km/h durch die Straßen brausen.

Anders als bei Irene vor einem Jahr werden die Ufergebiete New Yorks und New Jerseys zwar diesmal nicht evakuiert, aber trotzdem drehen hier mal wieder alle kollektiv am Rad, plündern Supermärkte und überbieten sich gegenseitig mit Warnhinweisen und Verhaltenstipps.

Mein Stromversorger PSE&G schreibt mir beispielsweise, warum er nach Irene und den heftigen Schneesturm im Oktober 2011 nun viiiel besser auf den Sturm vorbereitet ist:
Replaced older 26,000-volt lines with lines capable of carrying 69,000 volts. These lines provide greater protection against lightning strikes and can better withstand wind and rain.
Da hab ich wohl irgendwo in meinen zehn Semestern Elektrotechnik was verpasst, denn bislang war mir neu, dass höhere elektrische Spannung auch zu einer höheren mechanischen Stabilität führt. Aber man lernt ja nie aus. Und auch das mit dem Blitzschutz leuchtet unmittelbar ein: bei ein paar Millionen Volt Spannungsdifferenz zwischen Gewitterwolke und Erde entlade ich mich als Blitz natürlich lieber in eine 26 kV- als in eine 69 kV-Leitung. Da habe ich schließlich ein paar Millionen Volt PLUS 40 kV mehr Spannungsdifferenz. Ich bin entzückt!

Weiter prahlt PSE&G:
Spent about $28 million pruning trees away from power lines.
Aha. PSE&G hat also vorbeugende Wartungsarbeiten an seiner Infrastruktur vorgenommen. Bin ich der Einzige, der das auch ohne Irene, Sandy und Schneesturm erwarten würde? Warum ist das eine Meldung wert?

Neben den üblichen Vorsorgetipps wie genügend Wasser, Decken, Medikamenten, Taschenlampen, Kerzen usw. gibt PSE&G auch noch diesen unentbehrlichen Ratschlag für das Überleben im möglicherweise stromlosen Großstadtdschungel:
A non-electric can opener.
Wenn ihr mich fragt: eine Zivilisation, die man auf so etwas explizit hinweisen muss, ist sowieso dem Untergang geweiht. Ich kann mir so richtig schön den ebenso körpervollen wie hirnleeren 250-kg-Ami vorstellen, der mitten im schönsten, dunklen Stromausfall, wenn draußen der Sturm um die Hausecken fegt, zum Nachtisch noch schnell eine Dose kalter Ravioli weglöffeln will, weil es drinnen gerade so schön romantisch und gemütlich ist. Nachdem er es schwer atmend und unter Auferbietung seiner letzten Kräfte geschafft hat, sich in die Küche zu wuppen und die Dose im elektrischen Dosenöffner zu parken, stellt er nach einem Druck auf den Knopf verzweifelt fest, dass ihm der einfache Zugang zum hübsch eingedosten Industriefraß wohl leider verwehrt bleibt. In der festen Überzeugung, noch vor Wiederherstellung des Stroms einer akuten Unterzuckerung zu erliegen, wählt er schließlich 911 und lässt sich in die nächste Klinik rollen.

Mal im Ernst: natürlich ist es gut, lang haltbare und schwer verderbliche Nahrungsmittel für "Katastrophenfälle" im Haus zu haben. Aber alleine die Vorstellung, dass es Haushalte ohne normalen, manuellen Dosenöffner gibt, die dann kaum an das Futter rankommen, ist besorgniserregend. Genau genommen finde ich bereits die Idee, ÜBERHAUPT einen elektrischen Dosenöffner für den Privatgebrauch zu bauen und kaufen, reichlich bizarr. Ich wäre in dieser Beziehung ja für knallharten Selektionsdruck: wer bei Stromausfall verhungert, weil er seine Dosen nicht aufbekommt, scheidet zu Recht aus dem Genpool aus.

Auch mein Vermieter, eine große Gesellschaft namens "Equity Residentials", bereitet sich auf den Tag des Jüngsten Gerichts vor. Sie mailen mir:
[...] but we need your help. Equity is joining with the Federal Emergency Management Agency (FEMA) in urging all residents to take steps to prepare your families and homes for the anticipated severe weather.  [...] 
We urge you to follow the direction of your local governmental authorities before and after the storm, including any evacuation orders. Visit www.Ready.gov or www.Listo.gov for helpful tips on preparing for hurricanes, flash flooding and other disasters. For more forecast information from the National Oceanic and Atmospheric Administration's (NOAA) National Hurricane Center, please visit www.nhc.noaa.gov.

Thank you for your assistance and for taking measures to stay as safe as possible during this potential weather emergency.
Wie gesagt, wir werden alle sterben!! Alle Behörden sind in Alarmbereitschaft, das Militär rückt aus und die Nationalgarde steht bereit. Plünderer werden standrechtlich erschossen.

Ich kann nur wiederholen, was ich bereits vor einem Jahr im Kontext von Irene geschrieben habe: selbstverständlich ist ein Hurricane eine ernste Angelegenheit und selbstverständlich ist es besser, (zuviel) vorzubeugen, als zu heilen. Aber für meinen Geschmack schwingt hier immer ein bißchen zuviel Panikmache mit.

Auch die Kollegen, die nun schon länger als ich im Großraum NY leben, bestätigen mein Bauchgefühl, dass die die Hurricanes -- oder das, was von ihnen übrig bleibt -- hier selten mehr als kräftiger Herbststurm in Deutschland sind. Und so habe ich es ja auch selber bei der bösen, bösen Irene erlebt. Wenn ich also diese Maßstäbe anlege, ist die ganze Panikmache hier umso unverständlicher.

Naja, warten wir also mal geduldig auf Sandy. Wenn das Wetter zu schlecht ist, mache ich eben ein oder zwei Tage Heimarbeit. Und: anders als bei Irene bin ich zuhause diesmal nicht von Hochhäusern umgeben, sondern gucke über flaches Land Richtung Süden, also Sandy genau entgehen. Mal schauen, was mir da so geboten werden wird!

Update, 28.10., 17:00 Uhr:
Nach neueren Hochrechnungen liegt NYC nun doch in der 120-km/h-Zone und nicht mehr in der 100er-Zone. Laut Spiegel Online gibt es nun auch Zwangsevakuierungen in New York City. Und bei mir in Jersey City ebenfalls, aber nur für einige Gebiete und Leute im Erdgeschoss oder 1. Stockwerk. Die Evakuierungszone beginnt ungefähr 200 m östlich von mir.
Die U-Bahn NY und die PATH (Bahn zwischen New Jersey und New York, unter dem Hudson durch) stellen ihren Betrieb am Abend ein und ab 14 Uhr morgen (Montag) ist der Betrieb von Motorfahrzeugen in Jersey City verboten. Zum Glück darf ich noch Fahrradfahren... ;-)

Ich hab dann mal für morgen Heimarbeit angemeldet.

Wer nochmal lesen möchte, was ich damals zu Irene geschrieben habe:


4 Kommentare:

  1. naja die Amis, mal ein Auszug aus 2011/12 in Deutschland:

    Wind im Flachland-Berge
    KATIA 80-110km/h
    OTTO 80-100km/h
    JOACHIM 100-180km/h (wobei 180 auf der Zugspitze waren)

    das war nur ein auszig… insgesammt waren es >50 Events >75km/h was in DE dann als Sturm gilt, entweder Orkane oder Randtiefe/Hurricaneausläufer

    selbst bei XYNTHIA und EMMA ist damals keine Panik ausgebrochen :P und das waren schon nette Stürmchen :P aber bis auf Fesnter und Dachschindeln und 3-4 Idioten die einfach draußen sein mussten, haben es OH WUNDER alle überlebt :P

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  2. soo nun macht dieser Sturm auchnoch die vorstellung von neuen Android-Geräten kaputt o.O
    http://www.heise.de/newsticker/meldung/Googles-Veranstaltung-wegen-Hurrikan-abgesagt-1737933.html

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  3. und schwupps war er um 0200 CET offline :(

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