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Donnerstag, 24. November 2011

Die Rückkehr des Lügenbarons

Der gestrige Tag fing damit an, dass ich mich erstmal spontan in mein Frühstück übergeben habe. Der Auslöser war diese Schlagzeile:

"Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Guttenberg ein"

Fassen wir nochmal kurz zusammen: Zu Guttenbergs Dissertationstext besteht zu knapp zwei Dritteln (genauer: 64%) aus Plagiaten. Betroffen sind 94% der Seiten. Bei 23 Plagiaten habe er das Urheberrecht verletzt, sagt die Staatsanwaltschaft. Demzufolge ist der honorige Herr zu Guttenberg also ein Raubkopierer. Und Raubkopierer sind Verbrecher, wie wir schließlich alle wissen:



Nehmen wir doch mal Otto-Normal-Filesharer zum Maßstab. Bei dem wurden in der Vergangenheit gerne mal Streitwerte (und damit Schadenssummen) von 10.000 Euro pro Lied angesetzt. Gut, in jüngster Zeit wurde das ein wenig nach unten korrigiert, aber es kommen immernoch gut hundert Euro Kosten beim erstmaligen Verstoß zusammen. Und die Abgabe einer Unterlassungserklärung, die einen erneuten Verstoß richtig teuer werden lässt. Justizia -- insbesondere die wie geölt funktionierende Abmahnindustrie -- lässt also in Sachen Urheberrecht nicht mit sich scherzen!

Nur bei zu Guttenberg ist das alles nicht so schlimm.1

Sein Fast-Parteigenosse Siegfried Kauder (CDU) sieht das übrigens anders. Der hatte jüngst noch die Sperrung des Internetzugangs im Falle von Verstößen gegen das Urheberrecht gefordert. Und unsere Nachbarn in Frankreich sind schon weiter und drehen tatsächlich das Netz ab. Und auch in seinem neuen Heimatland USA wird die Luft für zu Guttenberg langsam dünn.

Es dürfte also nicht mehr allzu lange dauern, bis der Ex-Minister wieder in Deutschland auf der Matte steht und sich für neue, verantwortungsvolle Aufgaben empfiehlt. Dabei ist es höchst spannend, mit anzusehen, wie er gerade systematisch seine Exhumierung betreibt, nachdem er neun Monate in der totalen Versenkung verschwunden war:
Schon der Titel des Buches, "Vorerst gescheitert", deutet bereits indirekt an, dass da jemand an seinem Comeback bastelt. Dabei fragt man sich, welches Amt der Lügenbaron künftig bekleiden möchte.
  • Die Plagiate in seiner Dissertation hat er am Anfang schlicht geleugnet. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt. Selbst heute zeigt er sich noch uneinsichtig. Zitat: >>Guttenberg weigert sich, seine Arbeit als „Plagiat“ einzustufen: „Nein, weil es auch nicht ein Plagiat ist. Ich habe nicht einfach das ganze Buch eines anderen abgeschrieben und zu meinem Buch erklärt.“<< 
  • In der Kunduz-Affäre ging er, vornehm ausgedrückt, sparsam mit Informationen um. Und die vom ihm kurzerhand entlassenen Schneiderhahn und Wichert werfen im vor, gelogen zu haben.
  • Bei der Aufklärung des tödlichen Unfalls einer Offiziersanwärterin auf der Gorch Fock will Guttenberg erst in Ruhe recherchieren, um dann Hals über Kopf den Kommandanten zu entlassen. Ähnlich wie bei der Kunduz-Affäre hat er sich wohl auch hier von der BILD-Zeitung unter Druck setzen lassen.
  • Bei seinem Abgang als Verteidigungsminister versprach er, ein "bestelltes Haus" zu hinterlassen. Tatsächlich war der Zustand des Verteidigungsministeriums eher gruselig und bei der Bundeswehrreform hat er sich um ein paar viele Milliönchen verrechnet.
Am bemerkenswertesten finde ich aber diese Stelle:
Er sei damals schlicht überfordert gewesen, sagt Guttenberg. Seine Arbeitsweise sei chaotisch gewesen. Zeitweise habe er Teile der Arbeit auf 80 Datenträgern gespeichert gehabt. "Ich war ein hektischer und unkoordinierter Sammler. Immer dann, wenn ich das Gefühl hatte, dass etwas zu meinem Thema passt, habe ich es ausgeschnitten oder kopiert oder auf Datenträgern sofort gespeichert oder direkt übersetzt", sagt er. "Ich habe für jedes Kapitel eine Diskette angefertigt, ich habe unterschiedliche Ordner angelegt, ich habe über die Jahre hinweg auf vier unterschiedlichen Computern gearbeitet, die an unterschiedlichen Orten waren."
Der Herr Baron waren also ein wenig unorganisiert. Und das qualifiziert offenbar direkt fürs Ministeramt. Welche hohen Ämter stehen dann erst Leuten offen, die ihre Dissertation im Griff hatten und ohne Plagiate ausgekommen sind? Vielleicht sollte ich mal ein paar Bewerbungen schreiben....

In meinen Augen hat der Mann alle Glaubwürdigkeit und Integrität verloren und die oben genannten Punkte werfen ein besonderes Licht auf Fähigkeiten. Das sollte ihm eine weitere Karriere in der Politik eigentlich unmöglich machen. Andererseits wäre, wenn wir Glaubwürdigkeit und Integrität zum Maßstab machen würden, wohl plötzlich weite Teile des Bundestags, der Landtage, Regierungen etc. leer.

Aber vielleicht möchte KTG ja gar nicht zurück in die Politik. Warum nicht Lobbyist werden? Mit seinen hervorragenden Beziehungen könnte er als Lobbyist eine Menge erreichen und durch die Erfüllung einer so ehrenwerten Aufgabe weitere Sympathiepunkte sammeln.

Das allerallerschlimmste aber ist nicht zu Guttenberg an sich, sondern die Tatsache, dass er in wenigen Monaten wahrscheinlich wieder einen einflussreichen Posten bekleiden wird und es nach zwei Wochen Mediengezeter kein Schwein mehr interessiert.


1Um mich hier nicht dem Vorwurf des Äpfe-mit-Birnen-Vergleichens auszusetzen, sei erwähnt, dass die Staatsanwaltschaften im Falle von Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen für gewöhnlich ebenfalls die Verfahren einstellen. Das Abkassieren geschieht auf der Zivilschiene, nicht im Strafrecht.

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