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Freitag, 18. November 2011

Herbstliche Weihnacht

Nun ist es passiert. Ich habe mich soweit assimiliert, dass mir nichts anderes mehr einfällt, als über das Wetter zu schreiben. Immerhin befinde ich mich damit in guter Gesellschaft, denn auch renomierte Autoren wie beispielsweise Douglas Adams sind sich nicht zu schade, den Herbst in New York zu kommentieren:
Nur wenig ist schlimmer als ein Herbst in New York. [...] Wenn in New York der Herbst Einzug hält, riecht die Luft, als habe jemand Ziegen darin gebraten, und falls man Wert darauf legt zu atmen, reißt man am besten ein Fenster auf und steckt den Kopf in ein Gebäude.

Was mich an diesem Zitat am meisten irritiert ist nicht etwa der Verweis auf die Ziegen, sondern die saisonale Einschränkung der an sich ganzjährigen Atemprobleme auf den Herbst. Da ich in der letzten Zeit nicht allzu viele Ziegen gebraten habe, fehlt mir ein wenig der Vergleich, um Adams Beschreibung der besonderen Qualität des New-York-Miefs zu bestätigen. Auf jeden Fall kann ich aber sagen, dass das olfaktorische Bild -- zumindest für die unmittelbare Umgebung der U-Bahn-Zugänge -- ohne eine subtile Urin-Note definitiv unvollständig ist. Allerdings würde ich nicht den Herbst dafür verantwortlich machen. Im Gegenteil sorgen auffrischende Winde und sinkende Temperaturen eher für nasale Entspannung.

Persönlich kann ich sogar sagen, dass mich der Herbst bislang nicht enttäuscht hat. Bis gestern war es sogar noch möglich, mittags ohne Jacke nach draußen zu gehen und sich was zu essen zu besorgen, ohne dabei großflächige Erfrierungen zu riskieren. Wenn mir dabei die Sonne vom strahlend blauen Himmel auf das nur von ein wenig dünner Kopfhaut und etwas Schädelknochen bedeckte Hirn schien, war mir geradezu sommerlich warm zumute. In Summe hatten wir einen gut zweimonatigen goldenen Herbst, der gelegentlich sogar Spätsommerqualitäten zeigte.

Okay, zugegeben, Ende Oktober gab es hier mal einen kleinen Zwischenfall mit ein paar Zentimetern Neuschnee, die sich versehentlich nach New York verirrt hatten. Das würde ich aber einfach mal als einen kleinen senilen Ausrutscher von Frau Holle verbuchen. Die Gute wird schließlich auch nicht jünger und den ganzen lieben langen Tag nur Betten auszuschütteln ist schließlich auch keine Tätigkeit, die die geistige Beweglichkeit sonderlich fördert. Daher sei ihr der kleine Lapsus mit dem Datum einfach mal verziehen.

Letztlich war Frau Holle ihrer Zeit aber nur ein wenig voraus. Nachdem Petrus gestern pflichtschuldigst einen ersten "richtigen" Herbsttag mit amtlichem Schmuddelwetter hingelegt hat, können wir uns nun auf den Winter und Weihnachten vorbereiten. Macy's geht dabei mit gutem Beispiel voran und hat für heute eisigen Wind und einen Temperatursturz von etwa 10 °C geordert, um die offizielle Inbetriebnahme der Weihnachtsdeko stilecht in Szene zu setzen (für die Zusatzoption "Schnee" hat das Marketingbudget aber wohl nicht gereicht):


Neben dem Lichtermeer plärrte dazu als akustischer Nebenkriegsschauplatz noch das unvermeidliche Weihnachts-Potpourri aus posaunen- und streicherlastiger Kuschelmusik über den Herald Square. In der Vorstellungswelt der Macy's-Strategen soll das wohl die Passanten zur umgehenden Flucht in die Verkaufsräume animieren, in der vergeblichen Hoffung, dort weiterer Beschallung zu entgehen.

Als religiös-emotionale Verbrämung dieses Watt-gewaltigen Kommerz-Stimulus erinnert Macy's an der Hausfront der 34ten Straße noch daran, dass Weihnachten auch irgendwas mit Glauben zu tun hat, wie das Foto links zeigt.

Geschickterweise schweigt sich Macy's darüber aus, woran genau man glauben soll. Durch die bewusst diffuse Formulierung schaffen sie es nicht nur, alle Religionen auf einen Schlag gleichermaßen zu adressieren. Vielmehr finden sich in diesem einfachen Wort auch die Zyniker unter uns wieder, die annehmen, dass diese Leuchtreklame einfach nur Macy's Glauben Ausdruck verleiht, trotz abkühlender Konjunktur auch in diesem Jahr Rekordumsätze aus dem Weihnachtsgeschäft zu generieren. Schließlich hat auch der Einzelhandel seine Götter, an die er glaubt und die er anbetet. Ein Schelm übrigens, wer Böses dabei denkt, dass das ursprünglich heidnische Symbol des Tannenbaums direkt unter dem "Believe"-Schriftzug angebracht ist....

Wie erwähnt wurde die Deko heute im Laufe des Tages angebracht (heute morgen war Macy's noch ungeschmückt) und vor ca. zwei Stunden von mir fotographiert, wie dieses Foto belegt.


Und mit ein wenig gutem Willen ist es sogar möglich, sowohl die Macy's-Deko als auch das schön angestrahle Empire State Building auf ein gemeinsames Foto zu bannen:


So.

Derartig auf Weihnachten eingestimmt werde ich zur Feier des Tages meinen langjährigen Vorsatz brechen und schon vor dem ersten Advent das Weihnachtsalbum der Roten Rosen anspielen. Damit haben bei mir persönlich Campino & Co. das Rennen gegenüber Wham mit "Last Christmas" als erstgespieltes Weihnachtslied der neuen Saison eindeutig gewonnen. Ein guter Einstieg, wie ich finde!

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