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Mittwoch, 25. Januar 2012

Low-Tech-Land, Teil 3

In Teil 1 und Teil 2 meiner kleinen Serie habe ich ja ein wenig über die kleinen Alltagsdinge gelästert, die hier so erschreckend schlecht gelöst sind. Meine durchgängige Arbeitshypothese in den ersten beiden Texten war: den Amerikanern fehlt entweder der Elan oder das Geschick, existierende, bessere Lösungen im eigenen Land einzuführen. Lustigerweise haut aktuell ein amerikanischer Romanautor in die gleiche Kerbe und proklamiert: "Die Amerikaner sind fett und müde". In dem Artikel heisst es weiter: "Das Land könne gar auf das Niveau eines Entwicklungslandes abrutschen.".

Offenbar ist dieser Autor in seinem Fatalismus nicht so ganz alleine, denn die New York Times -- also weiß Gott nicht irgendein dahergelaufenes Käseblatt -- berichtet diese Woche:
[...] about 8,700 industrial engineers were needed to oversee and guide the 200,000 assembly-line workers eventually involved in manufacturing iPhones. The company’s analysts had forecast it would take as long as nine months to find that many qualified engineers in the United States.

In China, it took 15 days.
Uncle Sam hat also mal schnell eben rund 210.000 Arbeitsplätze auf einen Schlag an China verloren. An den Systemfeind. Durch die amerikanische Firma Apple. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber für jeden Amerikaner, der ein wenig was auf sich und sein Land hält, ist das ein Tiefschlag.

Auch das jetzt reflexartig einsetzende "Ja, aber die Qualität..."-Gewimmere ist hier sicher fehl am Platze, denn Apple ist nun nicht gerade dafür berühmt, minderwertige Ware auf den Markt zu werfen. Offenbar kriegen die das in China gestemmt. Und die USA gucken in die Röhre, weil sie keine geeigneten Leute unter ihren 14 Millionen Arbeitslosen haben (Quote aktuell zwischen 9 und 10 Prozent).

Amerika hat also offenbar ein Qualifikationsproblem.

Wie zum Beweis bekamen meine Kollegen und ich die teilweise erschreckend schlechte Ausbildung der Amerikaner bereits am eigenen Leib zu spüren. Es ist uns beispielsweise erschreckend schwer gefallen, offene Stellen für Elektriker oder Zeichner zu besetzen. Das Anforderungsprofil war nach deutschen Maßstäben nicht außergewöhnlich: Montage und Verdrahtung von Schaltschränken, Erstellen von Schaltplänen und Aufbauunterlagen. Also klassische Aufgaben für einen Betriebselektriker deutscher Bauart. In Amerika (oder zumindest hier in NY) kaum zu kriegen.

Zwischen selbsternannten Elektrikern ohne Ausbildung, denen ich nichtmal 'ne Klingelleitung anvertrauen würde, und Bachelor-Absolventen mit einiger Theorie- und wenig Praxiserfahrung scheint es kaum was zu geben. Hier kann sich eben jeder seinen Werkzeuggürtel aus dem Baumarkt umschnallen und sich stolz "Elektriker" nennen. Oder "Schreiner". Oder "Schlosser". Tool Time!

Das ist auch der Grund, warum ich bei meinen kleinen Schmähschriften gegen die hiesigen Fenster, Türen, Wasserhähne, Abflüsse etc. immer vermutet habe, dass sich bessere aber aufwendigere Lösungen hier nicht umsetzen lassen. Mir scheint es hier im "handwerklichen Mittelbau" an Qualifikation zu fehlen.

Die zweiteilige deutsche Ausbildung mit ihrer Kombination aus Berufsschule und Praxis genießt international bekannterweise einen guten Ruf. Kann man mit schöner Regelmäßigkeit irgendwelchen Sonntagsreden oder Tageszeitungen entnehmen. Aber erst hier vor Ort -- in einem führenden Industrieland, nicht in einem Entwicklungsland! -- kann man aus erster Hand erleben, wie wahr diese Aussage ist.

So. Soviel zum theoretischen bzw. soziokulturellen Unterbau meiner Nörgeleien. Den vierten und vermutlich erstmal letzten Teil der Low-Tech-Land-Reihe gibt es dann zum/am Wochenende. Ich habe buchstäblich noch eine Rechnung mit meiner Heizung offen, die ich euch nicht vorenthalten möchte....

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