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Montag, 13. Juni 2011

Frühe Eisenbahn in den USA — Ein Gaunerstück (Teil 1)

Da ich mich in den kommenden Jahren beruflich auf dem US-Eisenbahnmarkt tummeln werde, habe ich mich ein wenig mit der Geschichte der Eisenbahnen in den USA befasst. Besonders bemerkenswert ist dabei die Querung des Kontinents von Ost nach West anfang der 1860er Jahre. Wenn nur die Hälfte dessen wahr ist, was ich darüber gelesen habe, war das ein echtes wirtschaftliches und politisches Gaunerstück.



Der Plan für die Transkontinentalbahn sah vor, von beiden Seiten des Kontinents aufeinander zu zu arbeiten. Da der Osten schon recht gut erschlossen war, startete man mit dem einen Ende ziemlich mittig in den USA, nämlich in Omaha, Nebraska. Das andere Ende wurde von Kalifornien (Sacramento) aus vorangetrieben. Soweit, so gut.

Die Größe des Vorhabens sprach für ein Staatsprojekt. Die Regierung aber hatte, salopp gesagt, keinen Bock, den Bauherrn zu spielen und suchte deshalb nach einem Ausweg. Die Lösung: für die beiden Streckenenden wurde je eine eigene Eisenbahngesellschaft gegründet und üppig mit Staatsmitteln beschenkt:

  • Die Union Pacific arbeitete am von Omaha ausgehenden Ostende.
  • Die Central Pacific startete in Kalifornien.
  • Gesamt eingesetzte Staatsgeschenke: 20 Millionen acres Land entlang der Bahnlinie und zwischen 15.000 und 50.000 US$ pro fertiggestellte Bahnmeile. Gigantisch!
Die Gesellschaften gründeten sich blitzartig 1861 bzw. 1862 und sollten eigentlich 100 (Union) bzw. 10 (Central) Millionen US$ Kapital mitbringen. Und jetzt beginnt das Gaunerstück: das Kapital war nicht vorhanden!

Die Gesellschaften waren also innen hohl und es musste erstmal Geld her. Dabei zeigte man sich ebenso skrupellos wie erfinderisch:
  • Städte, die darauf hofften, an die Bahnlinie angeschlossen zu werden, wurden zu üppigen Abgaben gepresst.
  • Beide Gesellschaften gaben, noch bevor ein Meter Schiene gelegt wurde, ihrerseits Aktien und Schuldverschreibungen raus. Sie "verpfändeten" also etwas, was es noch gar nicht gab. Sprich: sie hatten keinen Gewinn und kein Kapital, aber an beiden konnte man sich nun als Investor beteiligen. Erinnert irgendwie an die geplatzte Interblase zu Beginn der 2000er, oder?
  • Eigens gegründete Baufirmen stellten doppelt so hohe Rechnungen aus, wie eigentlich erforderlich. Die Rechnung war zur Vorlage in Washington, das überschüssige Geld "verdunstete".
Die Central Pacific hatte überdies noch damit zu kämpfen, dass direkt vor ihrer Haustür die Sierra Nevada lag: ein Hochgebirgszug. Auch wer noch nie eine Eisenbahn gebaut hat, was auf die meisten von uns zutreffen dürfte, kann sich vorstellen, dass so ein Gebirgszug ziemlich lästig ist. Und tatsächlich dauerte es fast fünf Jahre, ihn zu überwinden. Als man zwischenzeitlich keine Amerikaner oder Europäer mehr fand, die ihr gutes Blut nebst ihrem Leben der Gebirgsquerung opfern wollten, schaffte man mehr als 10.000 Chinesen als Ersatz herbei. Sie gruben, sprengten und starben reichlich. Die Opfer gingen in die Hunderte.

Das war aber alles nur ein bedauerlicher, moralisch leider nicht ganz einwandfreier Nebenaspekt. Hauptsache war doch, dass der Bau und die Einnahmen vorangingen! Bis zu 50.000 Dollar je Meile! Schon vergessen? Wen kümmern ein paar Chinesen, wenn dafür die Kasse stimmt!

Anfangs stimmte die Kasse noch, in der Tat. Doch dann kam eine Wirtschaftskrise und das Gaunerstück geht in seinen zweiten Teil....

Quellen:
Wikipedia
Joachim Fernau: "Halleluja - Die Geschichte der USA" (1977)

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