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Freitag, 9. September 2011

Verbrechen am Verbraucher

Ich bin gerade ziemlich ungehalten. Der Anlass: mein Versuch, Internet für meine künftige Wohnung zu bestellen. Was ich dabei an Angeboten vorfinde grenzt in meinen Augen an Sittenwidrigkeit.

Es geht damit los, dass der Monopol-Anbieter für Internet, Telephon und Kabelfernsehen in meinem künftigen Wohnkomplex die Firma Comcast ist. Ein Monopol ist ja, wie wir alle wissen, ein Garant für konkurrenzlos günstige Preise und hervorragenden Kundenservice... und das merkt man bei Comcast sehr deutlich.

Wer ein wenig Muße hat und außerdem meint, der persönliche Adrenalinspiegel sei unter Sollwert, kann mal im Internet ein bißchen nach Erlebnissen mit dem Comcast-Kundenservice suchen und sich die zugehörigen Stories dazu durchlesen. Wenn nur die Hälfte dessen stimmt, ist im Vergleich dazu der vielgescholtene Alice-Service in Deutschland ein Muster an Kundenfreundlichkeit.

Am schlimmsten aber sind die Konditionen, die einem auf der Comcast-Webseite angepriesen werden. Oh, und die Webseite an sich ist auch schlimm. Hatte man beispielweise im Onlineshop die Angebote für "Internet" offen und klickt dann auf "Kabelfernsehen", wird fröhlich weiter "Internet" angezeigt, als wäre nichts passiert. Die URL der angezeigten Seite hat sich aber gegenüber vorher verändert. Ein sicheres Indiz dafür, dass im Hintergrund mal wieder irgendein Java-Enterprise-Cookie-XML-MachsKompliziert-Blödsinn läuft, der die Programmier offenbar überfordert hat. Ist sicher alles super hip und toll und modern, funktioniert aber leider nicht. Ein super Kompetenzbeweis einer Firma, die mir einen Internetzugang verkaufen möchte.

Aber ich schweife ab. Wir waren bei den Konditionen. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Zahle 41 USD/Monat für 1,5 MBit/s. Ja, wir wissen, dass das ein Schweinepreis ist. Aber wir machen dieses Angebot ja nur, damit Du es nicht nimmst. Sondern brav zu unserem Super-Sonder-Einsteiger-GünstigerGehtEsNicht-Paket wechselst.
  • Zahle 30 USD/Monat für 15 MBit/s. Und komm bitte nicht auf die Idee, das Kleingedruckte zu lesen. Kleingedrucktes lesen ist uncool, schadet den Augen und beleidigt uns, weil Du uns offenbar nicht traust. 
Aus dem Kleingedruckten:
  • Der Vertrag geht über zwei Jahre.
  • Die 30 USD/Monat gelten nur für die ersten 6 Monate.
  • Für die Monate 7 bis 12 kassieren wir 45 USD/Monat. Das sind mal schlappe 50% mehr.
  • Danach gelten dann die zu dem Zeitpunkt gültigen Tarife, die (zum Vergleich) heute irgendwo zwischen 42 und 62 USD/Monat liegen, ja nach Ort, Nasenfaktor und Laune des Comcast-Chefs.
Halten wir also fest:
  • Ich verpflichte mich zu einem zweijährigen Vertrag, dessen monatliche Gebühren im zweiten Jahr mir bei Vertragsabschluss unbekannt sind.
  • Basierend auf den heutigen Preisen muss ich über die zwei Jahre insgesamt zwischen 954 USD und 1194 USD blechen. Das macht einen Unsicherheitsbetrag von lächerlichen 250 Dollar.
  • Als vertrauensbildende Maßnahme wird der Preis nach sechs Monaten um 50% erhöht.
Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: ich fühle mich verarscht. Zum einen von den Absolutbeträgen (die hier in den USA aber wohl üblich sind) und zum anderen von dem Geschäftsgebahren. Abgesehen davon brauche ich weder die 15 MBit/s noch den ganzen anderen Krimskrams an "Security Paketen", Emailpostfächern und anderem Krempel, der unwiderruflich in diesem charmenten Paketangebot enthalten ist. Email-Adressen kriege ich an jeder Ecke für umsonst nachgeworfen und diese ganze (Norton-)Security-Grütze, die in bester Snake-Oil Manier den Benutzern des komplett verwarzten Windows-"Betriebssystems" eine nicht existierende Sicherheit vorgaukelt, kann mir gestohlen bleiben. Gibt es hier denn wirklich keinen Markt für eine nackte Leitung mit irgendwas zwischen 2 und 5 MBit/s zu fixen Monatsraten und ohne Extra-Trödel drum herum? Will denn jeder hier verarscht werden?

Oh, apropos Verarsche: werfen wir nochmal einen kurzen Blick auf das Fernsehangebot:

Das kleinste Paket "Digital Starter with SHOWTIME (R)" bringt mit:
  • 80 Kanäle
  • Irgendeinen On-Demand-Ich-Zieh-Dir-Extra-Knete-Aus-Der-Tasche-Service
  • "SHOWTIME (R)". Was auch immer das ist.
  • Schnäppchenpreis: nur mickrige 30 USD/Monat. Woaaah!! Gleich zuschlagen!
Aus dem Kleingedruckten:
  • 2 Jahre Vertragslaufzeit.
  • Entgelt steigt nach 12 Monaten auf monatlich 50 USD. Anstieg um 66%, mehr nicht. Aber es geht noch weiter...
  • Nach sechs Monaten kommen noch monatlich 10 USD für diesen SHOWCAST-Kram hinzu, von dem ich noch immer nicht weiß, was ich damit soll und was es eigentlich tut.
  • Nach 12 Monaten fallen dann die "regulären Tarife" für SHOWCAST an (was ist das eigentlich?), die zwischen 11 und 24 USD liegen. Ähnlich wie oben abhängig von Nase, Mondstand und Comcast-Aktienkurs.
Legt man eine Worst-Case-Annahme zugrunde, zahle ich also monatlich:
  • Monat 1 bis 6: 30 USD
  • Monat 7 bis 12: 40 USD
  • Monat 13 bis 24: 74 USD
Das nenne ich Preisstabilität! Aber immerhin habe ich SHOWCAST! Wozu auch immer.

Als letzter Brüller sei noch das "Double Bundle TV + Internet" erwähnt. Im Prinzip besteht das leistungsmäßig aus aus der Summe der beiden hier vorgestellten Einzelangebote. Einstiegspreis für die Einzelangebote, wir erinnern uns: je 30 USD. Da man bei Comcast seeehr genau um die Nöte, aber auch um den Intellekt seiner Kundschaft weiß, bietet man der internet-geilen Fernsehratte eben beides zusammen für... *Trommelwirbel* SIEBZIG Dollar pro Monat an.

Ich fasse es nicht.

Ich denke, ich werde es mir nochmal sehr, sehr genau überlegen, ob ich mit Comcast eine Vertragsbeziehung eingehe. Meine Assoziationen variieren gerade irgendwo zwischen "Nepper, Schlepper, Bauernfänger", Lockvogelangebot, Halunke und Halsabschneider.

Merkt man übrigens, dass ich gerade echt stinkig bin?

2 Kommentare:

  1. Hi Volker, ich kann das kaum glauben. Die leben doch dort in Häusern und nicht auf Bäumen, so dumm kann man doch gar nicht sein.
    Wie gesagt, ich kann es einfach nicjt glauben.

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  2. Tja, das hier ist eben das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Da kann man eben auch unbegrenzt doofe Angebote machen.
    Leider habe ich wohl wirklich keine Alternative zu Comcast. Da gibt es nur Drahtlosinternet, aber das ist ähnlich teuer wie Comcast, aber für den Normalgebrauch zu sehr im Volumen begrenzt. Daher muss ich wohl in den sauren Comcast-Apfel beißen.
    Cable-TV werde ich mir aber wohl nicht holen. In 8 Wochen USA habe ich bislang 5 Minuten TV geschaut. Danach setzten in meinem Gehirn Zerfallserscheinungen ein, die ich unbedingt aufhalten wollte. Da wäre Cable-TV kontraproduktiv. Das gesparte Cable-Geld kann ich besser in etwas Vernünftiges investieren... eine Gänseblümchenzucht oder so...

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