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Samstag, 6. August 2011

Affenfelsen Reloaded

Fans und Bewohner des schönen Braunschweigs kennen gleichermaßen eines der bekanntesten Bauwerke der Stadt: den Affenfelsen. Eigentlich heißt das Ungetüm "Appartementhaus an der Mühlenpfordtstraße" oder kurz "APM" und ist Braunschweigs größtes Studentenwohnheim. Für 852 Insassen wurden dort vor etwa 35 Jahren 657 Wohneinheiten in Beton gegossen, die strategisch günstig in Kriechweite zur Mensa und zum Zentralbereich der TU liegen. Äußerlich ähnelt das Wohnheim einer Kletteranlage für Affen im Zoo (zumindest in den Zoos der 70er, nehme ich an) und ist daher seit vielen Studentengenerationen als "Affenfelsen" bekannt.

Die Atmosphäre im Inneren liegt irgendwo zwischen JVA-Zellentrakt und Hotel-Bettenburg, mit dem einzigen Unterschied, dass in den Affenfelsenfluren immer der intensive Geruch asiatischen Essens in der Luft und ein ganzer Haufen Müll auf dem Boden liegen. Zieht man noch die Geräumigkeit der meisten Zimmer in diese Betrachtung mit ein, schlägt beim Vergleich JVA vs. Bettenburg das Pendel deutlich Richtung JVA aus.
Ich habe übrigens ziemlich genau sechs Jahre in dieser Anlage auf 14,36 m² eingesessen. Sechs Jahre sind noch kein Rekord, aber ich würde schon behaupten, dass ungefähr 99% der Mieter nicht so lange durchhalten.

Aber ich schweife schon wieder ab! Warum erzähle ich den ganzen Kram? Ganz einfach, weil ich seit Montag im Affenfelsen 2.0 wohne!

Denn auch die Amerikaner sind in der Lage, unter großzügiger Anwendung von Glas und Beton viele Leute auf kleinstem Raum aufzustapeln. Und weil ich seit Montag in einem möblierten Appartement wohne, das mir als Übergangslösung dient, bis ich was Dauerhaftes zur Miete gefunden habe, bin ich nun auch von so einer "Unterbringungslösung" betroffen. Das Appartementhaus hört auf den wohlklingenden Namen "Aqua Blu", liegt gegenüber von Manhattan auf dem US-Festland in New Jersey und ist nur drei Gehminuten von der PATH-Bahn entfernt, die mich mehr oder weniger direkt vor meinem Büro in Manhatten ausspuckt. Insgesamt brauch ich von Tür zu Tür 35 Minuten, was für New Yorker Verhältnisse eine sehr gute Zeit ist.

Der Pfeil markiert die Lage meines Appartements.

Mein Appartement liegt in dem großen Gebäude mit
den vielen Fenstern, das sich majestätisch in den
Abendhimmel reckt.

Die Flure, durch die ich mich zu meinem Appartement quälen muss, sind noch verwinkelter und ungefähr so dunkel und trist wie im Affenfelsen. Die ersten ein, zwei Male, ich gebe es zu, habe ich mich tatsächlich verlaufen. Das Appartement selber ist aber sehr schön, wie die folgenden Bilder zeigen:

Blick aus dem Eingangsbereich durch die offene Küche ins Wohnzimmer
Die Küche bietet alles, was man braucht. Sogar ein Geschirrspüler ist
enthalten. Leider ist insgesamt etwas wenig Geschirr vorhanden.
Das Schlafzimmer ist sehr geräumig und bietet neben einem großen Bett
auch noch einen Wandschrank und eine große Kommode (nicht im Bild).

Das Bad lässt keine Wünsche offen. Sieht man davon
ab, dass der Abfluss der Wanne nicht wirklich gut
funktioniert.
Eigene Waschmaschine (Frontlader!!) und Wäschetrockner sind
ebenfalls vorhanden. Links die Wohnungstür, in meinem Rücken das Bad.

Der ganze Spaß kostet, wie gesagt, "nur" etwa 180 USD pro Tag. Nach zwei Tagen ist also gut eine Monatsmiete Affenfelsen "verbraucht" (z. Zt. etwa 230 Euro/Monat für 14,36 m²). Aber was solls, bin ja kein Student mehr und gottlob zahlts die Firma! ;-)

Das Haus ist übrigens Teil einer größeren Anlage mit mehreren solcher Häuser. Nicht unbedingt Wand an Wand, aber doch schon relativ gedrängt steht hier entlang einer Straße bzw. eines Platzes ein gutes halbes Dutzend solcher Häuser. Auf den Straßen sieht man vor allem Asiaten (überwiegend Inder, wie ich meine), die hier temporär mit Kind, Kegel und Gattin untergebracht zu sein scheinen.

Direkt zu Füßen der Hochhäuser liegt ein Supermarkt (ähnlich wie der Rewe neben dem Affenfelsen), der entsprechend seiner Kundschaft eine Riesenauswahl an Spezialitäten aus aller Herren Länder, allen voran aus Asien, bietet. Und weil der Inhaber genau weiß, wie faul die Menschen sind, nimmt er sogar für NY-Verhältnisse saftige Preise und wird trotzdem von Kunden überrannt. Ist ja so schön nah dran an der Wohnung. Tür auf, Fahrstuhl runter, über die Straße, da.

Zum Abschluss noch schönes Beispiel, was für ungewöhnliche Produkte dieser Supermarkt bietet:

Der Supermarkt zu Füßen meines Appartements bietet auch gefrorenes
Frühstück an. Eine bizzare Vorstellung.
Ich bin den gesamten Gang abgeschritten und habe jedes Tiefkühlfach genauestens inspiziert. Ich habe nichts finden können, was bei mir auch nur im entferntesten als Frühstück durchgehen würde. Umgekehrt wüsste ich nichts (außer Brot), was man von einem normalen Frühstück sinnvollerweise einfrieren könnte. So wird es also für immer ein Geheimnis des Ladeninhabers bleiben, wessen Frühstück er hier zu welchen Teilen aus welchem Grund eingefroren hat.

Bildquellen: Karte: OpenStreetMap; Rest: Eigene Aufnahmen

2 Kommentare:

  1. Waffeln, Breakfast Burritos, Pan cakes evtl. schaffen die es hier auch Eier+Bacon einzufrieren.

    Die Wohnung sieht echt nett aus. Da willst du wirklich wieder raus? OK, saftiger Preis, aber sonst nicht schlecht.

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  2. Ja, die Wohnung IST nett. Allerdings auch heftig teuer... rechne das mal hoch: 180 x 30 = 5400 USD/Monat. Dafür bekommt man selbst in Manhattan ein Luxusloft. Die leben hier halt von Leuten wie mir, die das als (in der Regel firmenfinanzierte) Übergangslösung brauchen.

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