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Mittwoch, 17. August 2011

Der rechte Pfad

Ich lästere in meinem Artikeln ja häufig über die vielen Kleinigkeiten ab, die aus deutscher Sicht hier in New York soviel schlechter (oder zumindest anders) laufen, als man es gewohnt ist. Man könnte auch sagen, dass ich den typischen deutschen Meckerhannes mache, dem nie was recht ist.

Bild der nagelneuen PATH-Wagen
(Quelle: Wikimedia Common, Trevor Logan)
Bei soviel Nörgelei ist es angebracht, auch mal etwas Positives zu beschreiben. Und da drängt sich mir die PATH-Bahn auf, mit der ich täglich wie tausende andere auch zwischen New Jersey und New York  pendle. Keine Bange, ich mache jetzt hier nicht den eisenbahnverliebten Pufferküsser (Fachbegriff: "ferrosexuell"), der sich elegisch über den Anmut und die Grazie ausläßt, mit denen die Bahn gleichsam über die Schienen zu schweben scheint. Blödsinn. Auch den Sicherungstechniker in mir versuche mal vorübergehend zu deaktivieren, auch wenn das nicht 100%ig klappen wird.

Ich möchte euch einfach nur ein paar beeindruckende Zahlen nennen:

  • Die PATH-Bahn hat ein Streckennetz von gerade mal 22 km. Darauf wurden 2010 sage und schreibe 74 Millionen Passagiere transportiert.
  • Pro Werktag kommt die Bahn auf 250.000 Passagiere. Das entspricht 385 ICE-1-Ladungen (ohne Stehplätze).
  • In der Spitzenzeit fährt alle vier Minuten ein Zug auf der gleichen Linie, bei extrem hoher Auslastung wird kurzzeitig ein Zweiminutentakt gefahren.
  • Ich steige in einer Station ein, hinter der sich die Linie teilt. Hier gibt es teilweise eine Zugfolgezeit von nur EINER Minute. Hab ich selber gestoppt. In aller Öffentlichkeit. Trotz des Risikos, dadurch als Terrorist verdächtigt zu werden.
  • Mal zur Verdeutlichung, was in diesen 60 Sekunden alles passiert muss:
    • Zug hält an,
    • Türen öffnen,
    • Passagiere steigen aus/ein,
    • Türen schließen,
    • Abfahren, Gleis räumen,
    • Nächster Zug fährt ein,
    • bremst, fährt langsam Richtung Haltepunkt,
    • Zug hält an
  • In Spitzenzeiten ist der Zug so voll, dass die Türen kaum schließen und ein Umfallen im Wagen unmöglich ist. Presspassung. Ich schätze unter solchen Bedingungen ca. 150 Passagiere pro Wagen bei 7 oder 8 Wagen pro Zug. Also rund 1,5 ICE-1, die zur Rushhour alle vier Minuten in New York in der Endstation auf den Bahnsteig gekippt werden.
  • Die Bahn fährt jeden Tag 24 h durch.
  • Bei dem derzeitigen Wetter muss die Klimaanlage die ca. 20 °C im Zug gegen die ca. 40 °C in den Tunneln verteidigen. Und das bei gut 1000 Passagieren im Zug, von denen jeder seine 100 Watt Wärme abstrahlt. Das macht gute 100 kW, die pro Zug rausgeschaufelt werden müssen.
  • Besonders gruselige Vorstellung: die Züge unterqueren den Hudson-River in etwa 100 Jahre alten Tunneln aus Stahlröhren, die man einfach im Hudson versenkt hat. Von oben 'n bißchen Sand und Schlick drauf, damit es nicht so gammelt. Fertig.
Die Wagen, in denen ich unterwegs bin, sind übrigens recht neu: Inbetriebsetzung 2009. Das sieht man ihnen natürlich an. Die sehen noch richtig gut aus...

Richtig gut sehen auch die Fahrpreise aus: Im Zehnerpack liegt man bei etwa 90 Eurocent, ansonsten bei ca. 1,30 € pro Fahrt. Zum Vergleich: das Busticket in Braunschweig kostet 1,90 €. Und nicht zuletzt finde ich auch den Namen "PATH" (Port Authority Trans Hudson), also "Pfad", irgendwie pfiffig gewählt für eine solche Bahn.

Insgesamt ist das eine wirklich beeindruckende Transportleistung, die dort jeden Tag erbracht wird. Vom Tunnelbau und -wartung über die Instandhaltung von Rollmaterial und Schienen und über die Leittechnik, die die Züge im richtigen Takt zur richtigen Zeit auf die richtige Linie schickt, bis hin zur Sicherungstechnik, die dafür sorgt, dass die 250.000 Passagiere täglich crashfrei und lebendig ans Ziel kommen, ist das gesamte "System PATH" in meinen Augen eine technische Meisterleistung.

So, nun aber genug gelobhudelt. In den nächsten Artikeln wird wieder gelästert.

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