Seiten

Donnerstag, 4. August 2011

Sitz-Bank

In meiner grenzenlosen Naivität bin ich am letzten Donnerstag, also vor genau einer Woche, mal "schnell eben" von der Arbeit aufgestanden, um ein Bankkonto zu eröffnen. Kollegen hatten mir die HSBC-Bank empfohlen, aber damit wusste ich beinahe schon mehr, als ich offiziell eigentlich wissen durfte.

Denn mein zentraler Ansprechpartner für diese Themen ist mein "Relocator", der von meinem Brötchengeber dafür bezahlt wird, mir in NY auf die Beine zu helfen. Der Punkt Kontoeröffnung ist dabei explizit in seiner Beauftragung erwähnt. Das ist aber letzten Endes fast egal, weil der Relocator ohnehin nichts aus eigenem Antrieb unternimmt, sondern ich ihm für jeden Sch**ß einen hilfreichen Tritt den Relocater-Hintern geben muss.

Meine naive Vorstellung war ja, dass da jemand sitzt, der hauptberuflich Leute nach New York umtopft und vor sich eine Checkliste liegen hat, die er Stück für Stück mit mir abarbeitet. Dass er z. B. mal anruft und sagt: "Hey, Volker, Du bist nun schon eine Woche hier, wollen wir nicht mal langsam ein Konto eröffnen, damit sich Deine Gehaltsschecks nicht zuhause stapeln?".

Tja, leider lag ich mit dieser Vorstellung mehr oder weniger quer zur Realität und musste mich damit abfinden, mir selber eine Checkliste anzulegen, die ich dann meinerseits mit dem Relocator abwickle. Blöde neue Welt.

Der Ablauf war nun etwa wie folgt:

Volker: "Hallo Relocator, lass uns mal zusammen ein Konto eröffnen!"
Relocator: "Hmmm... pass mal auf, Du kennst doch Deinen Makler. Grüß ihn mal schön von mir. Der soll das mit Dir machen, der kann das auch."
Volker: "WTF!?!?"

Volker: "Hallo Makler, lass uns mal zusammen ein Konto eröffnen!"
Makler: "Och, das schaffst Du auch selber. Such Dir 'ne Bank und die helfen Dir dann. Die sind alle ganz nett."
Volker: "WTF!?!?"
Volker: "Ääääh... Kollegen haben mir gesagt, dass man in Begleitung eines Profis gleich eine Kreditkarte bekommt. Auch ohne Sozialversicherungsnummer (SSN)."
Makler: "Sag denen einfach, dass Du in ein paar Wochen Deine SSN nachreichst. Das klappt schon."

An diesem Punkt fühlte ich mich eher abgespeist als beraten, aber ich beschloss dennoch, mal auf eigene Faust loszuziehen. Auf Anraten von Kollegen ging ich, wie gesagt, zu HSBC.

Volker: "Hallo HSBC, ich möchte ein Konto bei Ihnen eröffnen. Ich bin Ausländer, habe keine Sozialversicherungsnummer und bin noch kein HSBC-Kunde, weder in Amerika noch in Deutschland. Wo muss ich unterschreiben?"
HSBC: "Nirgendwo. Geht nicht. Ohne SSN läuft hier gar nichts. Bitte verbrauchen Sie nicht weiter unseren klimatisierten Sauerstoff. Sie finden die Tür sicher alleine. Guten Tag."
Volker: "Aber... aber... ich hab doch Kollegen, denen ging das genauso.... und die haben ein Konto bei Ihnen. Kann man da gar nichts machen??? Bitte, bitte, bitte...."
HSBC: "Ach, noch einer aus eurem Verein. Also schön, na gut... wir müssen 'ne aufwändige Identitätsprüfung machen. Weltweit. Dauert drei Wochen. Dann noch 'ne Woche ehe das Konto eröffnet ist. Aber erstmal ohne Kreditkarte."
Volker: "Ich denke mal darüber nach..."

Da das grundsätzliche "Geht Nicht!" offenbar Verhandlungssache war, beschloss ich kurzerhand, noch eine andere HSBC-Filiale auszuprobieren. Evtl. kann ich die ja auch von insgesamt vier Wochen auf beispielsweise zwei herunterhandeln. In der zweiten Filiale konnte ich allerdings nichtmal bis zu einem Berater vordringen, sondern wurde von einer Mischung aus Empfangsdame und Zwerggorilla gleich abgebügelt:


Volker: "Hallo HSBC, ich möchte ein Konto bei Ihnen eröffnen. Ich bin Ausländer, habe keine Sozialversicherungsnummer und bin noch kein HSBC-Kunde, weder in Amerika noch in Deutschland. Wo muss ich unterschreiben?"
HSBC: "Verp*ss Dich."

Okay, die Wortwahl war in Wirklichkeit ein wenig höflicher, aber non-verbal wurde genau das transportiert, was ich geschrieben habe.

Also zur Hölle mit HSBC. Getreu dem alten Sprichwort "Warum in die Ferne schweifen usw." probierte ich es auf dem Rückweg zu meinem Arbeitsplatz noch in einer CHASE-Filiale. Praktischerweise liegt die Filiale bei uns im Gebäude. Im Erdgeschoss. Ich stolpere sozusagen über deren Geldautomaten, wenn ich morgens zur Arbeit komme.

Und was soll ich sagen? Ich wurde höflichst empfangen, nett beraten und willigte schließlich in die Eröffnung eines Kontos ein, das am Anfang ohne Kreditkarte daherkommt und nur eine sog. Debit-Karte mitbringt. Das ist wie eine Kreditkarte, allerdings auf Guthabenbasis. Kann ich prima mit leben. Eine Kreditkarte kann ich mir dann besorgen, wenn ich in ein paar Wochen meine SSN nachreiche.

Also alles eitel Sonnenschein. Bis, ja bis wir beim Am-Bildschirm-Ausfüllen des Antragsformulars auf der letzten Bildschirmseite, also quasi im Endspurt, ein Bein gestellt bekommen: meine Postadresse (ich gab die unseres Büros an) ist identisch mit der Filialadresse (weil ja im gleichen Gebäude). Aus Anti-Geldwäsche-Maximale-Transparenz-Wir-Drehen-Keine-Krummen-Dinger-Und-Sind-Nicht-Korrupt-Gründen ist das bei CHASE nicht mehr möglich. Seit 01.06.2011. Knapp daneben.

Es hat eine geschlagene Stunde gedauert, in der mein Berater erst zu seinem Supervisor, dann zu seinem Manager getrabt ist. In der er eine Hotline angerufen hat und dort ebenfalls vom Sachbearbeiter zum Supervisor zum Manager durchgereicht wurde. Es wurden Personalnummern, Authentifizierungscodes und geheime Intranetadressen ausgetauscht. Und das nur, damit ich mir meine verfluchten Unterlagen samt Debitkarte mangels anderer Adresse ins Büro schicken lassen kann!

Schließlich fand dann jemand auf S. 42 der ziemlich klein gedruckten aber dafür umso umfangreicheren "Business Conduct Guidelines" die Ausnahmeregelung, dass eine Filialadresse als Postadresse verwendet werden darf, sofern der Kunde temporär keine andere Adresse hat. Die genaue Formulierung passte so präzise auf meine Situation, dass ich meinen Banker überzeugen konnte, sich das als "Lex Volker" zu merken.

Eine Stunde hab ich dort also gesessen. Nur weil unser Büroturm eine CHASE-Filiale Erdgeschoss hat. CHASEd. Sitz-Bank. Wegen deren Banksitzes. Ach so: in Deutschland eröffnet man ein Konto heutzutage komplett online und mit Post-Ident-Verfahren. Das nur nebenbei.

Nachdem mein Dispens offiziell bewilligt wurde lief alles weitere problemlos. Heute, genau eine Woche später, bekam ich meine Bankkarte und habe sie gleich am Geldautomaten und im Supermarkt getestet. Funktioniert.

Nur leider weiß ich jetzt schon, dass mir noch eine zweite Runde drohnt, nämlich wenn ich gegen Vorlage meiner SSN eine Kreditkarte erbetteln möchte. Oh, und wo wir uns gerade so nett über Banken gruseln: man kennt hier zwar "Online-Banking", aber keine Authorisierungsverfahren wie PIN/TAN, iTAN oder Chipkarte. Kollegen berichten, dass man nach Eingabe der Überweisungdaten im Internet einen telefonischen Rückruf der Bank erhält, in dem sich ein Mitarbeiter erkundigt, ob die Eingaben ernst gemeint waren und ob er die Transaktion freigeben soll.

Manchmal frage ich mich echt, wie die USA so groß werden konnten...

1 Kommentar:

  1. Onlinebanking? In einem System, dass keine Überweisungen kennt, sondern nur Schecks?

    Das schöne ist, dass die Banken selber kein Interesse daran haben, das Konzept zu ändern. Schecks sind eben langsam. Das war schon immer so.
    Darum kann man z.B. seine zukünftigen Gehaltschecks beleihen wenn Ende des Geld noch so viel Monat übrig ist. Vorschusszahlung zum Freundschaftspreis!


    jkü

    AntwortenLöschen